Alles Chef? Futterlob und Ungehorsam

Eine treue Leserin hat mich in eine Email um Rat gebeten. Sie hat ein junges Pony, das sie vom Tierschutz übernommen hat. Die dreijährige Stute kam völlig roh und unerzogen zu ihr. Sie hat ihr mit viel Liebe und Geduld das Fohlen-ABC beigebracht. Mit der Zeit fand sie heraus, dass die Stute sehr gut auf Clickern reagierte und sehr schnell neue Aufgaben verstand. Das lief ein paar Wochen gut, aber seit kurzer Zeit reagiert sie unwirsch, wenn ihre Besitzerin zu langsam reagiert und – aus Pferdesicht – nicht schnell genug das Futterlob übergibt. Die kleine Stute zwickt dann in die Jacke und hat auch schon den Arm ihrer Besitzerin erwischt.

Parallel dazu habe ich einen Hilferuf in einem sozialen Netzwerk gelesen. Eine verzweifelte Besitzerin berichtete, dass sie ihrem Shetty das Rückwärts-Gehen beigebracht hat, auch mit Futterlob. Jetzt läuft das Pony ständig rückwärts auf sie zu und verlangt dafür ein Leckerli. Wenn kein Lob kommt, tritt es nach hinten nach seiner Besitzerin aus.

Wie passen diese Geschichten zusammen?

Beide Pferde haben etwas gelernt: dass ein bestimmtes Verhalten vom Menschen gewünscht und belohnt wird. Die Pferde haben aber nicht verstanden, dass sie dieses Verhalten auf ein Kommando zeigen sollen. Die Übung hat sich verselbstständigt, die Pferde sehen in ihr keinen Sinn außer das Erlangen des Futterlobs.

Was ist falsch gelaufen?

Die Besitzerinnen hatten die gute Absicht, ihre Pferde zu beschäftigen. Beide Ponys sind schlau und lernen schnell. Sie konnten in Kürze erkennen, dass sie ein Leckerli bekommen, wenn sie eine bestimmte Bewegung vollziehen. Leider ist beiden Pferden nicht klar, WELCHEN ZWECK der Mensch verfolgt und belohnt.

Beim Clickern, so wie bei allen anderen Trainingsformen auch, geht es in erster Linie um die Aufmerksamkeit. Mein Pferd soll mich aufmerksam beobachten und in jeder Sekunde damit rechnen, dass ich eine Aufgabe stelle. Ich möchte im Fokus meines Pferdes stehen. (Über Fokus und die Bedeutung im Pferdetraining habe ich bereits hier geschrieben.) Wenn mein Pferd eine gestellte Aufgabe erfüllt, lobe ich. Mit Hilfe des Lobs, egal ob mit dem Lob über Pausen oder Futter, will ich mein Pferd positiv bestärken, damit die Erfüllung der Aufgabe meinem Pferd Spaß bzw. ein gutes Gefühl bereitet.

In den oben genannten Beispielen haben beide Pferde nicht erklärt bekommen, warum sie belohnt werden. Für die Pferde steht nicht die Übung und der Fokus auf den Menschen im Vordergrund, sondern das Erlangen des Lobs. Dadurch hat sich die Beziehung zwischen Mensch und Pferd negativ verändert. Da die Besitzerinnen nicht die Beziehung geschult, sondern die Pferde auf eine Übung konditioniert haben, stehen nicht sie, sondern das Futter im Fokus der Pferde. Der Mensch ist nur noch Mittel zum Zweck: Hand in die Tasche und Futter zum Pferdemaul!

Raus aus dem Chaos – aber wie?

Wichtig ist für die oben geschilderten Fälle, dem Pferd eine neue Richtung vorzugeben. Das Verhältnis zwischen Pferd und Besitzer hat sich verschoben, denn nun ist das Pferd in der fordernden und damit führenden Position. Damit der Besitzer wieder der Führende in der Beziehung wird, hilft im ersten Schritt nur eins: das Futter muss weg.

Nur wenn ich mein Pferd nicht mehr aus der Hand füttere, kann ich eine neue Art der Kommunikation aufbauen. Mein Pferd wird mit der Zeit erkennen, dass der Mensch ihm auch mit anderen Mitteln ein positives Gefühl vermitteln kann. Möglich ist hier das Lob via Streicheln oder aber Pausen, die als Komfortzone eingerichtet werden. Wie das geht, erkläre ich z.B. im Artikel über die ersten Trainingsschritte mit einem Jungpferd.

Die Erkenntnis: das Pferd ist kein Hund! Es lernt anders als ein Hund, so dass ich das Clickertraining auch anders als im Hundetraining einsetzen muss. Generell gilt für jede Trainingsform: ich muss mich an die 10 Regeln beim Training halten. Nur, wenn ich das Wesen des Pferdes erkenne und respektiere, kann ich Trainingserfolge verbuchen.

Sind Clickern und das Futterlob jetzt allgemein schlecht?

Nein, auf gar keinen Fall! Clickern ist eine tolle Möglichkeit, ein Pferd (vor allem wenn es verfressen ist) zu motivieren. Futter kann einfach ein sehr guter Bewegungsgrund sein. Aber das richtige Timing und die korrekte Vorgehensweise sind ein Muss!

Wenn ihr korrekt clickern wollt, holt euch die Anleitung, z.B. von Ponyliebe und Tash Horseexperience.

Der Einsatz von Futterlob muss mit dem Pferd korrekt geübt werden. Nur wenn der respektvolle Abstand gewährt wird, können leckere Kleinigkeiten eine tolle Ergänzung im Training darstellen.

Wie kann ich mein Pferd korrigieren, ohne zu strafen? Das erfahrt ihr bei Alessa im Artikel „Beißen, Treten und andere Unarten„.

1 Kommentar zu Alles Chef? Futterlob und Ungehorsam

  1. Da hast du wirklich Recht. Zwei für mich grundlegende Regeln beim Clickern sind: Futterposition und Signalkontrolle. In den beiden oben genannten Fällen ist es v.a. an letzterem gescheitert und es zeigt schön, wieso man beim Clickern eben nicht mal schnell und huschusch machen kann, sondern sehr konzentriert und überlegt an eine Übung herangehen muss. Sonst hat man schnell den Effekt, dass man nicht mehr selbst konditioniert, sondern das Pferd versucht den Mensch zu konditionieren 😉

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