Komplettes Interview mit Marcus Hummler zu Traditioneller Chinesischer Veterinär-Medizin

Marcus Hummler, THP Helfende Hand

Marcus, was genau ist TCVM denn? Und welchen Teil deckst du ab?

Oh weh… das erinnert mich daran als jemand fragte:“Was ist Physik?“… 😉 Aber gut, ich möchte versuchen, nicht so weit auszuholen wie in dieser Sitcom.

TCVM ist die Übersetzung für den in China gebräuchlichen Terminus „Zhong shou yi zue“. Denn die Begriffe Chinesische Arzneimitteltherapie („Zhong yao xue“) und Akupunktur/Moxibustion („Zhen jiu xue“) stehen ebenso wie die Diätetik sowie die Tierhaltung und Pflege nur für Arten der Therapie und somit in deren Kontext eingebunden.

Auf Neudeutsch heisst dies soviel wie TCVM bringt Folgendes mit:

  • ein eignes Diagnose-System
  • verschiedene Behandlungsmethoden:
    • Akupunktur (inkl. der Varianten des Micro-Aderlasses und ähnliches)
    • Moxibustion (Wärmebehandlung durch Moxazigarren)
    • Ernährung (in einem weiterten Sinne als es die „klassische Ernährungslehre“ ist)
    • Phytotherapie (Weitläufig als Pflanzenheilkunde bekannt,nicht zu verwechseln mit der Physiotherapie. Zudem kommen in der klassischen chin. Phytotherapie nicht nur Pflanzen zum Einsatz, sondern auch Salze und Mineralien. Entgegen der weit verbreiteten Meinung kommt in der modernen TCVM keine Tierprodukte zum Einsatz, also keine getrockneten Seepferdchen oder ähnliches!)
    • Auch die Unterbringung und Beschäftigung ist oft ein Teil der Therapie.

Erwähnenswert ist an dieser Stelle noch, das die TCM (Traditionelle Chinesische Humanmedizin) zwar bedeutend älter ist, aber dennoch andere Wege geht und teils völlig andere Diagnose und vor allem auch Therapie verfahren hat. Es haben sich innerhalb der letzen ca. 45 Jahre einige sehr „verselbstständigte“ westliche Versionen der TCM und auch der TCVM entwickelt, welche mit den ursprünglichen Verfahren nicht mehr viel gemein haben. Allerdings kann man sagen, dass beide aber durchaus zulassen sich weiter zu entwickeln und nicht auf einem Punkt zu bleiben. Denn dies würde einem der Grundprinzipien widersprechen.

Ich selbst versuche so nah an der traditionellen Möglichkeit zu bleiben, wie es möglich ist. Ich decke alle oben genannten Bereiche ab, wobei ich mir gerade für den Beschäftigungsteil gerne entsprechende Hilfe hinzu hole, da dies in meinen Augen nochmal ein Bereich ist den man vom Grundprinzip her differenzieren kann.

Warum alle Bereiche? Weil sie alle zusammengehören und je nach Lage individuell zusammengesetzt werden und sollen. Es ist nicht mit einem „Schubladenrezept“ vergleichbar à la „Wenn das – dann nehme dies“.

 

Wo ist der Unterschied zum bekannten Tierheilpraktiker?

Ich denke hier wäre vorher zu klären, was der „bekannte Tierheilpraktiker“ ist? Die meisten stellen sich wahrscheinlich hierbei jemanden vor, der über fundierte Anatomie-, Physiologie-, Biochemie- und Pathologie-Kenntnisse verfügt und entsprechend dieser unter Zuhilfenahme „klassischer“ Alternativheilverfahren eine Heilung bewirkt. Der Punkt ist allerdings, dass im Rahmen der THP-Ausbildung nur Grundlagen der Therapieverfahren vermittelt werden.

Ich sehe den Unterschied bei mir darin, das ich mich auf die TCVM spezialisiert und in diese Richtung weitergebildet habe, um das Ganze zu vertiefen. Ich fühle mich in dieser Form der Medizin gut aufgehoben und bin für mich der Überzeugung, dass es mehr ist als nur Anwendung von antikem Wissen, sondern eine Philosophie und Lebenseinstellung.

Natürlich betrachte ich aufgrund meiner Ausbildungen und meinem Studium auch die anderen medizinischen Aspekte und Möglichkeiten und verschliesse mich keineswegs vor westlicher Diagnostik. Darauf zu verzichten wäre meines Erachtens fahrlässig. Wobei meine Therapieansätze stets auf einer chinesischen Grundlage stehen.

Hierzu auch ein chin. Zitat, dessen Herkunft mir leider bisher unbekannt ist:

„Es ist womit der Lehrling beginnt und der Meister endet. Der Meister jedoch weiß wie schwer es ist!“

Und schlussendlich möchte ich an dieser Stelle eine meiner Dozentinnen zitieren:

“Es ist eine Heilkunst! Es ist mehr als nur an definierte Stellen Nadeln zu setzen!“ 

 

Warum ist die Untersuchung so anders als zum Beispiel beim Tierheilpraktiker?

Dies bedingt sich daraus, das sowohl die Diagnose als auch die Therapie eignen Regeln unterworfen sind. Ich möchte es folgendermaßen versuchen zu erläutern, denn eine detaillierte Beschreibung würde den Rahmen hier sprengen:

Man lässt mehr in den Untersuchungsgang einfließen, man bezieht wortwörtlich alle seine Sinne mit ein, man schaut, hört, fühlt, riecht (ja auch an dem, was für die breite Masse „eklig“ erscheint), ggf. schmeckt man auch, um an jede notwendige Information zu kommen. Auch teils klassische Aspekte wie Vorgeschichte und Vorerkrankungen, Narbengewebe,  Lebensumstände, Gemüt, Emotionen, etc. kommen hierbei zu tragen. 

 

Welche Krankheiten und Symptome können mit TCVM behandelt werden?

Die Formulierung der Frage ist eine typisch Westliche. 😉

Wenn ich mich weit aus dem Fenster lehnen würde, würde ich sagen alles! Da ich aber gerne aus dem Fenster schaue, mich aber nicht aus solchen hinauslehne, möchte ich dies Folgendermaßen beantworten:

TCVM ist prinzipiell dazu in der Lage, alles was gestört ist wieder zu ordnen. Was hingegen zerstört ist, lässt sich nicht wieder herstellen!

Wichtig ist auch zu erwähnen, das die TCVM nicht die „Krankheit“ oder die Symptome behandelt. Sie unterstützt den Körper, sich selbst gegen die pathogenen (=krankmachenden) Faktoren zu wehren und somit wieder gesund zu werden.

Ich könnte hier nun eine recht lange Liste mit Krankheiten, Symptomen, Verhaltensstörungen und sonstigen Wehwehchen auflisten… Aber das möchte ich an der Stelle nicht tun.

Stattdessen gebe ich einige Beispiel, was nicht geht:
Bein ab: wieder nachwachsen lassen.
Völlig zerstörtes Knorpelgewebe wiederherstellen.
Aus einem 30 Jährigem wieder einen 10 Jährlingen machen.
Einen Wallach zum Hengst umkehren (ab ist ab).

Abgesehen davon stehen nahezu alle Möglichkeiten offen. Und damit meine ich wirklich alle! Das wichtigste dabei ist, dass der „Wille“ des Patienten nicht erschöpft ist!

 

Wem empfiehlst du eine TCVM-Behandlung? Und was kostet sie?

Nun im Grunde jedem! Ich denke die Frage zielt aber auf etwas genaueres ab.

Als wichtigste Einleitung: Im Gegensatz zu vielen anderen Therapieformen ist es bei der TCVM (sofern man hier diesem mit dem Wort „Therapieform“ gerecht wird) sogar erwünscht bereits einzugreifen ehe Beschwerden auftreten! Sprich: Hier ist eine echt Vorsorge möglich! Regelmässige Kontrolle macht durchaus Sinn und erspart schlussendlich viel Arbeit, Leid und selbstredend auch Geld!

Ich möchte es wie bei der Frage zuvor vermeiden hier irgendwelche Krankheiten etc. aufzuzählen. Denn hierfür eine Liste zu erstellen widerstrebt sowohl meiner Auffassung als auch der  Definition dessen, was die TCVM in ihrer Urtümlichkeit ausmacht, soweit ich dies bisher sowohl durch Praxis als auch durch das Studium entsprechender Schriften erfahren durfte.

Was ich allerdings anmerken möchte:
Die TCVM ist nicht der Weisheit letzter Schluss! Ich bin der Meinung, dass selbstverständlich auch andere Therapieformen ihren Sinn und Zweck haben und somit selbstredend auch ihre Daseinsberechtigung! Und ja, das schliesst selbstverständlich die schulmedizinischen Methoden mit ein. Auch wenn ich bei letzterem die Herangehensweise manches mal nicht teile. Unterm Schnitt gilt dies für alle Therapieansätze: „Es ist viel erstrebenswerter zu wissen, wo die Grenzen einer Therapieform bzw. die eignen sind, als dass man danach strebt zu wissen, was alles möglich wäre!

Andere Therapieformen lassen sich durch und mit TCVM sehr schön unterstützen bzw. ergänzen. Das ist mit ein Grund, wieso ich mich stets gerne mit den behandelnden Tierärzten, Hufpflegern / Schmieden, Osteopathen / Physiotherapeuten und auch anderen Tierheilpraktikern austausche.

Es ist nicht pauschal zu sagen was eine TCVM Therapie als ganzes kostet, da hier wie ja bereits erläutert unheimlich viele Faktoren und Möglichkeiten zum tragen kommen. 

Aber ein paar Zahlen als Fakten:
Die Erstanamnese schlägt mit 45,-€ zu Buche, zuzüglich Behandlungskosten, welche sich nach Art und Umfang von 15,- bis 50,-€ (bei einer normalen Nadeltherapie) berechnen.

Der Besitzer wird auch soweit möglich und Interesse besteht in alles mit eingebunden und bekommt jeden Schritt erklärt. Denn ich bin der Meinung, dass eine Therapie erfolgreicher ist, wenn auch der Besitzer sie versteht und somit auch dahinter stehen kann.

Vielen Dank für das ausführliche Interview! Mehr zu Marcus Hummler und seiner Praxis „Helfende Hand“ auf seiner Homepage.

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