Vertrauen heißt „sich trauen“

Die letzten Wochen waren sehr ereignisreich. Der neue Stall und die neue Herde verlangen Suri einiges ab. Sie gewöhnt sich langsam ein, auch wenn der Leitwallach sie ab und zu fies in die Schranken weist und sie diverse Macken davongetragen hat. Sie ist allerdings nicht ganz unschuldig – mein Stütchen sucht seinen Platz. Ich bin mir sicher, dass sich das schnell legt und wieder Ruhe in die Herde einkehrt.

Arbeitsstart wie immer vom Boden aus

Die Arbeit mit ihr macht sehr viel Spaß. Suri arbeitet konzentriert mit, egal ob bei der Bodenarbeit, frei oder unter dem Sattel. Gestern sind wir erst am Boden gestartet und Katharina, meine Reitbeteiligung, hat die Basisübungen abgefragt. Nach ein wenig Bewegung von Schulter und Hinterhand ist sie dann in die Freiarbeit gewechselt, hat Handwechsel gemacht und Tempowechsel gefragt. Suri war sehr konzentriert, hatte immer ein Ohr bei ihr und ließ sich ganz leicht und sanft lenken. Es war wunderschön anzusehen.

Komplizierter Führungswechsel

Nach dieser schönen Einheit habe ich Suri übernommen und mich in den Sattel geschwungen. Wir waren im Roundpen und ich habe mich getraut ohne Verbindung zum Kopfstück, also ohne Zügel zu reiten. Das habe ich vor einigen Wochen das erste Mal probiert und es war ein Traum! Suri war damals sehr aufmerksam und hat immer zugehört, um keine Hilfe aus meinem Gewicht oder den Schenkeln zu verpassen. Das wollte ich wiederholen…

…und bin zu Beginn gescheitert. Suri war nicht bei mir. Sie hat sich ständig umgesehen, hat die anderen Pferde auf der angrenzenden Weide und die Menschen neben dem Platz beobachtet. Sie war überall, aber nicht an meinen Hilfen. Einen kurzen Moment habe ich gezweifelt, ob das Reiten ohne Zügel eine gute Idee ist.

Halsring

Sich trauen, dem Pferd zu vertrauen

Doch diesen Gedanken habe ich direkt verbannt. Ich habe mich entspannt und habe versucht, mein Pferd zu fühlen. Habe meine Schenkel an ihren Bauch gelegt, mein Gewicht verlagert, und daraus die Bewegung der Hinterhand gefragt. Sie wollte nicht. Also habe ich sie im Stand gefragt, ob sie mir ihren Kopf geben kann. Das war kein Problem, sie kam rechts und links mit ihrem Kopf zu mir und ließ sich loben.

Wer bewegt wen? Die Führung vom Sattel aus

Noch habe ich ein sehr verspanntes Pferd unter dem Hintern gehabt. Als dann die angrenzende Herde aufgeregt über die Weide galoppierte, weil sie Spaziergänger mit einem Hund gesehen hatten, spürte ich noch mehr Anspannung in Suris Körper. Ich musste mir etwas einfallen lassen, um die Führung zu übernehmen.

Denn darum ging es in diesem Moment: Suri erkannte mich im Sattel nicht als Führende an.

Vom Boden wäre das schnell geklärt gewesen, aber wir mussten diesen Punkt vom Sattel aus überwinden (auch wenn ich sonst gerne absteige, so wie Alessa das in ihrem Blog beschreibt). Ich habe häufiger das Problem, dass Suri mir unter dem Sattel nicht vertraut. Noch genauer, sie traut mir dort nicht: Sie traut mir nicht zu, dass ich sie beschützen kann. Aus diesem Grund bin ich dieses Mal nicht abgestiegen. Wir waren im abgesperrten Roundpen, was sollte passieren? Sie könnte mich maximal abwerfen, aber darüber wollte ich nicht nachdenken.

Ich schickte sie also in einen flotten Trab (hauptsächlich mit Hilfe meiner Körperspannung und Atmung) und wechselte mehrmals die Hand. Ich konnte sie nicht gut steuern, aber sie begann mir mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Zur Verstärkung gab Katharina mir mein Bodenarbeitsseil, damit ihr dies an die Schulter anlegen konnte, wenn Suri hier blockiert.

Nach ein Paar Richtungs- und Tempowechseln, in denen wir auch kurz galoppiert sind, wurde Suri immer konzentrierter. Sie ließ sich sogar auf einen kleinen, langsamen Spin ein, in dem sie im Schritt auf der Hinterhand stehend die Vorhand bewegte. Ich hatte sie überzeugen können, dass die Zusammenarbeit mit mir doch keine schlechte Idee ist! Ich spürte, wie die Anspannung nachließ und sie senkte den Kopf und schnaubte. Endlich!

Ein schöner Abschluss

Zum Schluss konnte ich mein Stütchen wieder ohne Probleme lenken. Sie ließ sich voll auf mich ein und überließ mir die Führung. Wir hatten uns beide überwunden, uns zu trauen und zu vertrauen. Das ist es, was mich am Reiten so begeistert: wir legen unser gegenseitiges Vertrauen in eine Waagschale und lassen uns auf unseren Partner ein: Suri auf mich, ich mich auf Suri. Und am Ende der Übungen, wenn wir uns zuhören und uns vertrauen, uns aufeinander einlassen, werden wir eine Einheit. Dann kann sie hören, was ich denke. Es ist keine deutliche Hilfe mehr nötig, denn wir werden eins. Das ist ein wunderschönes Gefühl.

 

– Eine Bitte: macht das freie Reiten nicht einfach nach. Es gehört viel Vorarbeit dazu, so mit dem Pferd zu arbeiten. Ich habe zwei Jahre gebraucht, um mit Suri an diesen Punkt zu kommen. Ihr schafft das am besten mit einem guten Trainer, der euch ausreichend vorbereitet. Alles andere ist zu gefährlich. –

 

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Pferdeflüsterei hat ein Bloggerstöckchen zu dem Thema ins Leben gerufen!
Teilgenommen haben bisher Tash Horse Experience , Herzenspferd, Fair Riding Corp, Hippovital mit einer besonders berührenden Geschichte, Pfridolin PferdClickerpony und Pferdeverstehen.

 

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