Folge 2.1: Desensibilisierung mit Chick

Nach unserem ersten Training konnte ich die Pferde überzeugen, dass sie mir vertrauen können, so dass sie sich mir angeschlossen  haben. Die Besitzerinnen haben fleißig mit beiden trainiert, so dass ich in der zweiten Woche bereits einen Schritt weitergehen konnte.

Beide Jungpferde sind schon früh zu ihren Besitzerinnen gekommen. Sie haben in ihren ersten Lebensjahren bereits viel kennen gelernt: sie gehen spazieren, kennen Bagger, Trecker, Autos und LKW, haben mit Planen und Bällen gespielt, fremde Pferde und Hunde kennen gelernt und vertrauen ihren Menschen. Trotzdem habe ich in der zweiten Trainingseinheit den Schwerpunkt auf Desensibilisierung gelegt.

Zuerst habe ich Chick wieder frei in Empfang genommen und habe die Übungen der Vorwoche wiederholt. Der schlaue Kerl hat gezeigt, dass er geübt hat: Er trabte fröhlich auf mich zu und stoppte vor mir. Ich war total begeistert, bis ich gemerkt habe dass sich hier ein „Knopf“ eingeschlichen hat. Zur Erklärung: ein Knopf am Pferd ist für mich eine Übung, die ohne Verstand beim Pferd abgespult wird. Das Pferd hat die Lösung der Aufgabe verstanden und abgespeichert und reagiert auf eine bestimmte Bewegung des Menschen, hier auf mein Eindrehen der Schulter. Leider denkt das Pferd bei einem „Knopfdruck“ nicht über die Übung nach, sondern spult einfach das gelernte Verhalten ab. Chick ist zwar der Einladung zu mir zu kommen, gefolgt, hat aber weder geleckt noch gekaut hat (beides Zeichen für die Aktivität des Gehirns). Außerdem war er sehr irritiert, als ich ihn nicht zum Folgen aufgefordert habe, sondern wieder wegschickte. Auf das Wegschicken reagierte er ungehalten mit Bocken und Quietschen, nach dem Motto „Was soll das denn jetzt? Ich hab doch alles gemacht! Jetzt will ich ne Pause mit kraulen und kuscheln!“. Die folgenden Einladungen hat er nur langsam erkannt und ist ihnen nur ab und zu gefolgt. Ich habe die Übung beendet, als er mitgedacht hat und auf meine Einladung wieder fröhlich zu mir gekommen ist.

Nachdem er aktiv mitgearbeitet hat sind wir zur Nachfolgeübung übergegangen. Ich habe Chick an das 3,5m-Seil genommen und ihn mit dem Seil berührt. Erst ist habe ich das Seil langsam auf ihm abgelegt, später habe ich es über seinen Rücken geworfen. Solange er still stand habe ich die Übung unterbrochen und ihm eine Pause gegönnt. Wenn er dem Seil ausgewichen ist habe ich so lange wiederholt, bis er wieder stehen blieb und über das Seil nachgedacht hat. Dann bekam er sofort eine Pause.

Chick zeigte fast keine Angst vor dem Seil. Er hat still neben mir gestanden, den Kopf gesenkt und gewartet, ob ich noch eine Aufgabe für ihn habe. Nachdem das mit dem Seil geklappt hat bin ich zum Stick übergegangen und  habe das Seilchen des Sticks über ihn geworfen. Das war auch kein Problem. Also habe ich schnell die Übung verändert und eine Tüte am Stick befestigt.

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In Bewegung war die Tüte doch ein wenig gruselig.

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Die Tüte im Gesicht: Chick bleibt cool.

Im Stehen hatte Chick auch mit der Tüte kein Problem. Erst in Bewegung hat er eine kleine Fluchtreaktion gezeigt. Damit er lernt, dass Flucht keine Lösung ist, habe ich weiterhin die Tüte in seine Richtung bewegt und ihn damit berührt bis er sich zu mir drehte und stehen blieb. Sobald er stand habe ich die Tüte weggenommen. Er hat direkt gekaut und den Kopf gesenkt, um die Erfahrung zu verarbeiten. Das schlaue Pony hat sich danach direkt mit der Tüte in Bewegung berühren lassen, ist gelassen getrabt und hat den Kopf wiederholt gesenkt. Die Tüte hatte keine Bedeutung mehr für ihn – ein voller Erfolg!

Zu guter Letzt habe ich noch den Kanister dazugenommen. Da Chick sehr locker ist und kaum Desensibilisierung braucht hat er den Kanister locker getragen, sowohl im Stand als auch in Bewegung. Ich konnte den Kanister über ihn werfen, auf seinen Rücken legen und hinter uns herziehen – kein Problem für Chick. Ein absolut cooles Pferd! Da hat die Besitzerin vorher schon ganze Arbeit geleistet!

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Der Kanister konnte sogar seine Beine berühren: kein Problem für den coolen Wallach.

Die Desensibilisierung mit Sito gestaltete sich völlig anders – Jungpferde sind halt nicht alle gleich :).

1 Kommentar zu Folge 2.1: Desensibilisierung mit Chick

  1. Das steht auch ganz weit vorne auf meiner Liste – die Anti-Schreck-Therapie. Ich finde die Idee dahinter so genial. Wir zeigen dem Pferd, dass es uns vertrauen kann und mutig und gesund aus (vermeintlich) schrecklichen Situationen wieder raus kommt. Alfonso Aguilar hat auch genau das als einen wichtigen Bestandteil beim Jungpferdetraining. Ich sehe mich schon mit meiner KLeinen über PLanen laufen, Schirme aufspannen und Bälle schießen. 🙂 Vielen Dank für diese Tolle Serie!! Werde ich gleich mal auf Facebook teilen. Liebe Grüße, Petra

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