Folge 6: Freies Folgen an der Hand
Beim Training ist es wichtig, dass das Pferd sich auf den Menschen konzentriert. Es ist egal, ob der Mensch am Boden steht oder im Sattel sitzt. Sobald ich auf das Pferd einwirke muss ich sicher sein, dass mein Pferd mit mir zusammen arbeitet und nicht gegen mich. Aus diesem Grund muss ich interessant sein und meinem Pferd Spaß machen. Doch wie werde ich spannend für mein Pferd? Wie gestalte ich Training, das Spaß macht?
Oft halten wir unser Pferd im Training fest. Wir lassen es am Seil laufen oder halten die Zügel in der Hand. Diese ständige Kontrolle und Einwirkung engt das Pferd stark ein. Wie würden wir uns fühlen, wenn wir etwas lernen sollen und dabei ständig in die richtige Richtung geschubst würden? Wenn wir die richtige Lösung nicht selbst finden dürfen, sondern wenn jeder Fehltritt sofort korrigiert würde?
Die heutige Übung ist sowohl für das Pferd als auch für den Reiter nicht einfach. Der Mensch muss sich von dem Gedanken lösen, das Pferd festzuhalten. Das Pferd muss erfahren, wie es ist völlig selbstständig zu arbeiten.
Freies Folgen an der Hand
Das Pferd läuft frei neben dem Menschen, das Führseil um den Hals gelegt und wie ein Zügel geknotet (damit es nicht runterfallen kann). Der Mensch hält seine Führhand, die normalerweise das Seil halten würde, auf Höhe des Pferdemauls. Wenn das Pferd zu schnell wird, bremsen wir mit Hilfe des Sticks oder unseres Körpers (aber nicht, indem wir in das Pferd laufen, sondern indem wir mit unserer Ausrichtung die Laufrichtung einschränken). Wird das Pferd zu langsam, treiben wir von hinten mit dem Stick. So lernt das Pferd schnell, dass es an der Hand laufen soll ohne dass wir am Kopf mit dem Halfter einwirken.
Sito und Chick sind nicht die einzigen Jungpferde am Stall. In der Jungs-WG wohnt auch Aladin, ein 3jähriger Haflingerwallach. Ihn trainiere ich auch regelmäßig, wenn seine Besitzerin Vani Zeit hat. Hier kommen die Bilder von Vani und Aladin beim Folgen an der Hand:
Der Haflingerwallach entpuppt sich als Streber: Er weiß schnell, was von ihm verlangt wird und arbeitet konzentriert mit. Sogar den Handwechsel kann er schnell umsetzen. Für den Handwechsel läuft seine Besitzerin in die Volte und dreht sich schneller als vorher. Dabei kommt Aladin automatisch auf die andere Schulter. Hier wird ihm sofort die Hand angeboten und Vani dreht sich in die andere Richtung, um so weiter zu laufen. Klingt schwieriger als es ist 😉 .
Im folgenden Training zeigte Aladin, was ein Haflinger unter Training versteht: nachdem er die Übungen gut mitmacht, versucht er seinen eigenen Kopf durchzusetzen. Mit der Arbeit am langen Seil üben wir das kontrollierte Angaloppieren – ein Haflingerproblem 🙂 .
Nach Aladin war Sito an der Reihe. Sito kann sich nicht so lange konzentrieren wie Aladin, daher ist für seine Besitzerin Rena viel schwieriger, die Verbindung zu ihm loszulassen. Also haben wir erstmal Trockenübungen gemacht.
Diese Übung ist wie Tanzen: Zwei Partner bewegen sich im gleichen Takt. Beide müssen sich konzentrieren, damit die Bewegung erhalten bleibt. Einer führt, der andere folgt.
Nach unserer Trockenübung hat Rena mit Sito „getanzt“. Er hat sehr schön mitgearbeitet und hat versucht, an ihrer Seite zu bleiben. Da er sich nicht so lange konzentrieren kann, hat er sich einmal verabschiedet und ist davongaloppiert, inklusive Buckelsprüngen und Gequietsche. Damit hat er uns gezeigt, dass die lange Konzentrationsphase zuviel für ihn ist und er sich lockern und entspannen muss.
Rena übt in der kommenden Woche weiter mit Sito. Die Konzentrationsübung wird mit Bewegungsübungen aufgelockert: Freies Folgen und laufen am langen Seil wechseln sich ab, damit Sito sich entspannen kann. Jeden Tag werden die Phasen der Konzentrationsübung verlängert, bis Sito sich an die Aufgaben gewöhnt hat. Dann wird er auch unter dem Sattel besser zuhören und mitarbeiten können.
In der nächsten Folge steigen wir schon in den Sattel! Das Anreiten ist eine sehr wichtige Aufgabe und ein einschneidendes Erlebnis für Pferd und Reiter. Wir erarbeiten das Reiten ganz ruhig und ohne viel Aufregung.
Hi Akki,
ich kenne Freiarbeit ohne, dass die Pferde der Hand folgen. Wieso übt ihr das mit Hand und was sind die Vorteile? Viele Grüße! Nadja
Hi Nadja, ich mache Freiarbeit auch auf Distanz. Die Nähe an der Hand zwingt das Pferd, sehr konzentriert zu arbeiten. Die Anforderung ist sehr nah am Menschen und mit sehr kleinen Zeichen. Ausserdem wollen wir, bevor wir in den Sattel steigen, möglichst viele unterschiedliche Positionen am Pferd üben. Dann ist es für das Pferd einfacher, wenn ich die Übungen irgendwann von oben abfrage, denn es weiss, dass ich das von vorne, der Seite, hinten und von nah und weiter weg tun kann. Das ist dann ganz normal 🙂