Folge 3: Sensibilisierung

In der vorangegangenen Stunde haben wir die Pferde desensibilisiert. Vor allem für Sito waren das entscheidende Übungen, weil er sehr empfindlich auf Berührungen reagiert. Nachdem ich den Pferden erklärt  habe, dass ein fliegendes Seil, ein Stick und ein hinterher-gezogener Kanister KEINE Bedeutung haben können, muss ich ihnen nun erklären, dass ich mit genau diesen Hilfsmitteln auch Informationen übermitteln kann – somit HABEN sie eine Bedeutung. Keine leichte Aufgabe für den jungen Pferdekopf, diese Dinge zu unterscheiden.

Start: wieder Desensibilisierung

Zu Beginn gebe ich dem Seil und dem Stick wieder keine Bedeutung. Die Pferde erkennen durch meine unbeteiligte Körpersprache (von ihnen weggedreht, den Fokus nicht auf dem Pferd), dass meine Aktionen nichts mit ihnen zu tun haben. Für Chick ist das ganze kein Problem, Sito springt noch ein wenig hinter mir hin und her bis er das fliegende Seil akzeptiert. Die Einheit dauert nicht lang, schnell ist beiden Pferden klar, dass ich nichts von ihnen verlange.

Erweiterung: Sensibilisierung

Nun möchte ich mit dem Seil eine Reaktion hervorrufen. Ich beginne mit dem Wegschicken der Hinterhand.

Die Hinterhand ist der Motor des Pferdes. Kann ich die Hinterhand kontrollieren, kann ich auch das Tempo bestimmen.

Übung: Die Hinterhand wegschicken
Ich stehe auf Höhe der Schulter des Pferdes mit Blick auf die Hinterhand. Erst weise ich nur mit meiner Hand auf die Hinterhand des Pferdes. Wenn keine Reaktion kommt schwinge ich langsam das Seil auf die Hinterhand, bis das Pferd diese von mir wegbewegt. Dabei berühre ich auf der ersten Stufe die Hinterhand nicht, erst bei der Drucksteigerung berührt das Seil das Pferd. Bei Sito klappt das ganz schnell, bei Chick muss ich den Druck steigern bis er sich bewegt. Es ist keinesfalls so, dass Chick unsensibel ist: er hat nur noch  nicht erkannt, dass ich nun mit dem Seil etwas von ihm verlange. Die Übung wiederhole ich auf beiden Seiten, bis die Pferde locker und weich die Hinterhand weichen lassen. Erst nur mit dem Seil, dann auch mit dem Stick als Hilfsmittel.

Nachdem ich die Hinterhand bewegen kann wende ich mich der Schulter zu. Die Schulter ist – später auch für das Reiten – die Schaltzentrale der Lenkung.

Wenn ich die Schulter des Pferdes kontrollieren kann, kann ich die Richtung bestimmen.

Übung: Die Schulter wegschicken
Ich stehe links auf Schulterhöhe des Pferdes mit Blick geradeaus am Pferdekopf vorbei. Dann wende ich mich leicht schräg dem Pferd zu, als wollte ich unter dem Pferdehals hindurchgehen (wenn ich eine Uhr unter meinen Füßen liegen hätte, und die Blickrichtung des Pferdes geht auf die 12, dann drehe ich mich nun „auf ein Uhr“ in Richtung des Pferdekopfes). Meine linke Hand weist auf das Pferdemaul, die rechte auf den Hals-Schulter-Übergang. Dann gebe ich rhythmisch Takt in Richtung Pferd, mit beiden Händen, ohne das Pferd zu berühren. Der Druck, den ich damit erzeuge, bringt das Pferd dazu die Schulter von mir wegzudrehen und mir so den Weg frei zu machen.

Chick und Sito weichen beide erst nach hinten aus. Logisch, denn ich nehme ja den Raum vor ihnen ein. Da ich diese Antwort als Lösung nicht akzeptiere gehe ich mit ihnen rückwärts und halte meine „taktvolle“ Frage aufrecht. Da ich nicht aufhöre erkennen die Pferde, dass die Lösung „Rückwärts“ falsch ist und probieren weiter. Beide finden schnell die korrekte Lösung und weichen mit der Schulter von mir weg. Sobald ein Huf in die richtige Richtung geht höre ich sofort auf und lobe. Die Jungpferde erkennen schnell, was ich von ihnen möchte und weichen mit der Schulter weich und flüssig.

In der Bewegung – Stress abbauen durch das Bewegen der Füße

Das konzentrierte Arbeiten auf der Stelle mit Druck kann für das Pferd stressig sein. Um diesen Druck abzubauen lasse ich die Pferde noch am langen Seil um mich herumlaufen. Das ist kein Longieren, da ich die klassischen Regeln wie das Einrahmen und die Handführung außer Acht lasse. Damit es kein langweiliges Kreiseln wird, bekommen die Pferde auch hier eine Aufgabe.

Übung: Mit der Atmung das Tempo bestimmen
Das Pferd bewegt sich am langen Seil um mich herum. Wenn ich das Tempo steigern will hebe ich den Arm, der das Seil in der Hand hält, und weise damit in die Laufrichtung. Gleichzeitig atme ich ein um Spannung in meinem Körper aufzubauen. Viele Pferde werden jetzt schon schneller, da sie die Anspannung spüren. Wenn ich noch unterstützend einwirken muss, gebe ich mit Schnalzen das Stimmkommando für Trab (für Galopp ist es das „Küsschen“). Zur weiteren Unterstützung kann ich als letztes noch den Stick einsetzen.

Zur Temporeduktion lasse ich den Führarm (mit Seil) fallen, atme entspannt aus und gebe ein ruhiges Stimmkommando, z.B. ein langgezogenes „Hoh“.

Um die Aufgabe spannend zu gestalten, lasse ich das Pferd maximal eine Runde um mich laufen bis ein neues Kommando kommt. So muss mein Pferd ständig aufmerksam bleiben und sich auf mich konzentrieren. Wichtig ist auch, öfter die Hand zu wechseln um die Gelenke nicht zu sehr zu belasten.

Chick nutzt die Bewegungsübung zu ausgelassenen Sprüngen. Ich merke, dass die Konzentrationsübungen ihn schon sehr beansprucht haben. Er darf sich ein wenig austoben, bevor ich  mit ihm wieder in das konzentrierte Arbeiten am langen Seil gehe. Er arbeitet gut mit und lässt sich leicht über die Atmung steuern.

Zum Abschluss versuche ich mit Chick noch ein Seitwärts an der Bande. Er kennt die Übung bereits und weicht locker von mir. Dabei merke ich, dass er schon sehr müde ist. Nach einem gelungenen Seitwärts von beiden Seiten entlasse ich ihn in seinen Feierabend.

Sito

Sito ist am Seil völlig konzentriert. Nach den Übungen der Vor- und Hinterhand ist er noch voller Elan und arbeitet fleißig mit. Auch er hört konzentriert zu und lässt sich leicht über meine Atmung regulieren. Da er noch sehr sensibel auf Berührungen reagiert trägt er einen Halsring, der ihm über den Hals rutscht. Der Halsring animiert ihn ab und an dazu seinen Kopf zu schütteln. Aber die Konzentration auf mich lässt ihn schnell vergessen, dass das Teil ihn nervt. So desensibilisieren wir ihn parallel zur Sensibilisierungsübung weiter.

Sito frage ich nicht noch nach einem Seitwärts. Er ist nach den Übungen so müde, dass er sich kaum noch konzentrieren kann. So darf er auch gern seinen Feierabend genießen.

Beide Pferde schließen mit einem sehr guten Ergebnis ab. Da Beide schon vor unserem Training viel gelernt haben kommen wir schnell voran. Sie verstehen schnell, was von ihnen verlangt wird und arbeiten fleißig und mit Freude mit – so habe auch ich meinen  Spaß mit diesen cleveren Jungpferden :)!

Im nächsten Training folgt die Erklärung der Nachgiebigkeit – eine wichtige Übung auch später unter dem Sattel!

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