Echte Partnerschaft ohne Keks und Gerte: Training mit Ian und Anke Benson

Alle zwei Jahre versuche ich, einen Horseman (egal ob männlich oder weiblich) aus dem Ausland zu Fortbildungszwecken zu besuchen. 2017 durfte ich Buck Brannaman in den USA über die Schulter schauen. 2019 war ich bei Ian Benson in Neuseeland zu Besuch.

Ich hatte mich auf meine Auszeit bei Ian nicht vorbereitet. Lediglich die Empfehlung einer Bekannten ließ mich den Besuch bei Anke und Ian planen. Damals ahnte ich nicht, wie sehr mich diese Begegnung verändern würde…

Die Benson-Farm in Neuseeland

Im Regen kamen wir, mein Freund André und ich, bei den Bensons an. Die Anfahrt war abenteuerlich: Die geteerte Straße endet abrupt ein paar hundert Meter vor der Benson-Farm. Das Auto rollt über eine kleine Anhöhe – und schießt dann plötzlich auf der Schotterpiste weiter. Die Schilder, die auf ein langsames Tempo hinweisen, sind mehr als berechtigt ;).

Die Farm liegt idyllisch 2 Autostunden nördlich von Auckland nahe der kleinen Stadt Waipu. Hier leben 23 Pferde auf weiten, grünen Wiesen. Das Haus der Bensons liegt etwas erhöht über dem Reitplatz und dem Paddock, die Aussicht ist fantastisch. Anke und Ian begrüßten und fröhlich und luden uns in ihr Haus ein. Dort lernten wir bei einem Kaffee für André und einem Tee für mich die theoretischen Grundlagen.

 

Viel grün und Platz für eine große Pferdeherde in Norden Neuseelands

Humanship: Partnerschaft auf Augenhöhe

Anke und Ian haben einen eigenen Namen für ihr Konzept: Humanship. Hier liegt der Fokus darauf, den Menschen zu lehren, möglichst ohne Druck oder Keks mit dem Pferd zu kommunizieren. Beide haben den „Leadership-Würfel“ entwickelt, aus dem sehr gut ersichtlich ist, welche Trainingsmethoden über welchen psychischen Ansatz zum Trainingserfolg führen. Für mich war hierbei besonders erhellend, dass wir den Trainingserfolg bei fast jeder Methode an der Erfüllung von Aufgaben festmachen. Einfach gesagt: Wenn das Pferd macht, was wir ihm aufgetragen haben, werten wir dies als Erfolg. Ian bricht diesen Ansatz auf: „Ist es wirklich ein Erfolg, wenn ein Trainingspartner das macht, was er gesagt bekommt? Hier fehlt die Partnerschaft auf Augenhöhe. Das ist es, was wir vermitteln wollen.“

Positive oder negative Verstärkung sind keine Partnerschaft

Die Tage bei Anke und Ian haben mich aufgerüttelt. Schon länger hatte ich das Gefühl, dass die von mir ausgeführten und vermittelten Lehrmethoden nicht ausreichend sind. Gerne nehme ich euch mit auf einen kleinen Exkurs in meine Gedankenwelt: Im Natural Horsemanship wird das Pferd über Druck trainiert (negative Verstärkung). Die Situation wird unangenehm gemacht, indem physischer Druck, egal ob das Pferd dabei berührt wird oder nicht, auf die Körperstelle ausgeübt wird, die sich bewegen soll. Beim Erlernen einer Übung wird der Druck so lange gesteigert, bis das Pferd die richtige Reaktion zeigt. Das kann sehr langsam und sanft erfolgen, so wie ich immer gearbeitet habe. Dann bekommt das Pferd minutenlang Zeit, die Information zu verarbeiten. Der Trainer beobachtet jede Reaktion des Pferdes, ob es das Ohrenspiel, Mimik oder kleine Bewegungen sind und gibt sofort nach, sobald die Idee des Pferdes in die gewünschte Richtung geht. So lernt das Pferd, dass der Mensch das „unschöne Gefühl“ wegnimmt, sobald es mitmacht. Einen guten NHS-Trainer erkennt man aus meiner Sicht daran, wie schnell und auf wie wenig Antwort des Pferdes nachgegeben wird. Zuviel Druck führt zu gestressten Pferden, die so keinen Spaß am Training entwickeln können.

Im Gegensatz zum NHS steht die  Lehre der positiven Verstärkung. Besonders bekannt ist hier das Klickern. Das gewünschte Verhalten des Pferdes wird direkt mit einem Klick und einem Leckerli belohnt. Der Klick ist schneller als die fütternde Hand, so dass mit dem Geräusch der genaue Moment des Lobes verbunden werden kann. Zu Beginn wird das Pferd belohnt, ohne dass es exakt weiß, wofür es das Leckerli bekommt. Später erkennt es die gestellten Aufgaben und erwartet den Klick als Belohnung und Bestätigung. Zu Beginn muss der Klickertrainer aufpassen, dass sein Pferd nicht zu fordernd wird und nach der Belohnung schnappt bzw. sie aus der Jacke ziehen will. Auch hier können Pferde sehr gestresst werden, da sie regelrecht wie Junkies alle erlernten Übungen abspulen, um endlich den Klick und den Keks zu bekommen. Ich konnte mich mit dieser Art des Trainings nicht anfreunden, weil die Pferde sehr fordernd und rüpelhaft werden können.

Der Leadership-Würfel

Neben diesen zwei bekannten Trainingsmethoden gibt es noch einige Weitere. Ian und Anke haben diese Führungsstile in ein schönes Schema gebracht und ihnen Namen gegeben (sobald ihr Humanship-Theoriebuch veröffentlicht wird könnt ihr euch dort den Leadership-Würfel genau anschauen). In dem Würfel werden Aufgabe, Beziehung und Wissen miteinander in Abhängigkeit gebracht. Besonders augenöffnend war für mich diese Stile nicht auf das Pferd, sondern Mensch zu Mensch zu betrachten. Würde ich  mit jemandem arbeiten wollen, der mit Druck neben mir steht und darauf pocht, dass ich die Lösung der Aufgabe erkenne (so wie es im Natural Horsemanship der Fall ist)? Oder sehe ich jemanden als meinen Freund, weil er mir Süßigkeiten gibt, wenn ich etwas für ihn tue (wie beim Klickertraining)? Laut den Bensons ist der erstgenannte Führungsstil der Stick-Leader, mit 100% Wissen sogar der Diktator. Wer zum Beziehungsaufbau Möhrchen ins Pferd schiebt, ohne dass das Pferd eine Aufgabe bekommt, ist ein Carrot Leader – potenziert mit Know-How der Manipulator. Diese anschaulichen Begriffe zeigen für mich deutlich auf, was wir mit unseren Pferden machen: Sie sind Marionetten unserer Wünsche.

Mit geschlossenen Augen: So bekomme ich ein Gefühl für Ians Einwirkung

Natürlich darf ein Pferd nicht einfach machen, was es will. Ansonsten würde es zur Gefahr für unsere Gesundheit und Sicherheit. Nachdem wir erarbeitet haben, dass wir weder durch Manipulation,  noch durch Diktatorenverhalten ein harmonischer Partner für unsere Pferden sein können, ging es raus in die Praxis.

Mein Training mit der Leitstute

Der Regen hatte aufgehört und die Sonne kam heraus, als wir uns den Pferden näherten. Mein Kopf war ganz durcheinander. Mein Herz und auch einige Pferde hatten mir schon länger mitgeteilt, dass die Natural-Horsemanship-Methode ihre Grenzen hat. Nun wollte ich Ians Ansatz verfolgen und ein Pferd ohne die Druckstufen trainieren. Doch hier kam ich schnell an meine Grenzen. Mein Körper und mein Kopf waren meinem jahrelangen Training so sehr auf die eingespielten Bewegungsabläufe geschult, dass ich immer wieder stoppen und mich neu ausrichten musste. Es war eine anstrengende, aber sehr schöne Zeit.

Die Leitstute der Herde ist mein Trainingspartner. Ian erklärt, wie ich auf das Pferd einwirke.

Die Übungen am Pferd waren einfach und genau deshalb unglaublich schwer. Wenn ich vorher Übungen mit Druckstufen (Anschauen, Lehnen, Einatmen, Tippen in Richtung des Pferdes, leichte Berührung des Pferdes, Steigerung der Berührung) ausgeführt hatte, wollte ich jetzt dem Humanship-Ansatz folgen. Hier wird die Aufgabe als erste mit einem Gedanken eingeleitet. Gesteigert wird dann über den Blick, der die Richtung vorgibt, den Atem, die Stimme, Energie und dann den Kontakt. Der Kontakt wird dabei nicht gesteigert, sondern lediglich auf kleiner Stufe gehalten. Es ist quasi ein Ausbau des Natural Horsemanship: Die Drucksteigerung nach der Berührung wird gestrichen.

Richtig spannend war, dass dem Pferd zwar Grenzen gesetzt werden (will ich im Vorwärts nach links und das Pferd zieht nach rechts, halte ich das Seil und lasse das Pferd mich nicht mitziehen), es aber trotzdem mit entscheiden darf. Ich folge z.B. der Idee des Pferdes, wenn es anstatt vorwärts ein rückwärts anbietet. Meine Idee bleibt zwar die Gleiche, aber ich erhöhe nicht den Druck, um das Pferd zu überzeugen. Klingt kompliziert? Ist es auch ;). Aber mit ein wenig Übung wird es immer klarer.

Ian zeigt an einem Jungpferd, wie er frei von hinten die Richtung steuert.

Dieses Gefühl, nach dem du süchtig wirst

Während unserer Zeit habe ich einen Moment echter Partnerschaft und Harmonie mit dem Pferd erleben dürfen. Das, wonach ich immer strebe und was sich in meinem Training bisher nur sporadisch ergab, hat mir die Stute am zweiten Tag im Roundpen geschenkt. In einer Freiarbeitsübung hatte ich das Gefühl, mit dem Pferd zu sein, durch seine Augen zu blicken und seinen Körper zu spüren. Das Verschmelzen zu einer Einheit ist das größte Glück, das ich mit einem Pferd erleben kann. Und es war so schnell und scheinbar leicht erreicht…

Insgesamt ging unsere Zeit auf der Farm viel zu schnell vorbei. Ich freue mich schon jetzt darauf, dass Anke und Ian im Sommer nach Deutschland kommen. Dann kann das Abenteuer Humanship mit meinen eigenen Pferden weitergehen!

Humanship-Training in Deutschland

Du willst auch mit Anke und Ian trainieren? Kein Problem! Im Sommer touren beide durch Deutschland. Du kannst mit Anke via Facebook Kontakt aufnehmen um nachzufragen, ob sie auch in deine Nähe kommen. Du möchtest lieber ein Wochenendseminar? Kein Problem! Ich organisiere in der Nähe von Köln gern einen Gruppentermin. Schreib mich dafür einfach an unter info@fuehrpferd.de

 

 

 

 

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