Weniger ist (oft) mehr
Immer wenn ich mit einem bestimmten Ziel zum Stall komme klappt im Training genau das nicht.
Ich will mit Suri die tiefe Kopfhaltung trainieren? – Sie hat einen Hans-guck-in-die-Luft-Tag wie nie zuvor.
Ich will Seitengänge? – Sie verweigert sich komplett und rast vorwärts davon.
Ich möchte Gymnastizierung mit Stangen? – Sie tritt voll dagegen und kegelt die Stangen anstatt drüber zu steigen.
Woran liegt das?
Ich bin in meinem Kopf so fokussiert auf mein Ziel, dass ich mein Pferd nicht mehr wahrnehme. An dem Trainingstag „Kopfhaltung“ erkenne ich erst später, dass Suri einen verspannten Rücken hat. Sie scheint in der Nacht falsch gelegen zu haben und hat sogar Probleme, sich ohne Reiter balanciert vorwärts zu bewegen. Ich war aber so konzentriert auf mein Trainingsziel, dass ich nur ihren Kopf angeschaut habe anstatt auf ihren Rücken zu achten… Ich nenne das ein typisches Mensch-Problem. Mit meinen Ideen und Zielen war ich nicht bei meinem Pferd, sondern ihr meilenweit voraus. Und da liegt der Knackpunkt.
Heute gehe ich anders in den Stall. Wenn ich etwas unbedingt trainieren will schreibe ich es auf. Dann schaue ich mir mein Pferd an und frage erstmal vom Boden aus, wie es ihr heute geht. Wenn sie weich, durchlässig und mit Freude bei mir ist schaue ich auf mein Geschreibsel und mache mich an meine Aufgabe. Wenn sie aber zeigt, dass es ihr heute nicht so gut geht versuche ich als Erstes ihr zu helfen. Da fange ich dann lieber mit leichter Gymnastik und Übungen am Seil an, anstatt mich auf sie zu schwingen und ihr Unwohlsein noch zu vergrößern. Glücklicherweise habe ich ein Exemplar das ganz genau ihre Gefühlslage zeigt. Da schaue ich auch schon mal in ein drohendes Pferdemaul. Nicht jedermanns Sache, für mich aber Gold wert.
Mein Pferd ist nicht dazu da, meine Wünsche zu erfüllen: ich bin für sie da, damit es ihr gut geht!
Auch die Pferdeflüsterei hat sich mit dem Thema auseinander gesetzt. Den schönen Artikel findet ihr hier.
Was für ein schöner Ansatz – den mag ich sehr und will ich auch pflegen. Ich habe mich von Anfang an gefragt, warum Pferde immer „funktionieren“ sollen. Solche Sätze habe ich nämlich auch gehört. Sie haben auch gute und schlechte Tage, wie ich auch. Toller Post! Alles Liebe, Petra
Vielen Dank liebe Petra :). Ich habe auch lange gebraucht, um zu dieser Erkenntnis zu kommen. Aber je mehr man sich mit diesen tollen Tieren wirklich beschäftigt, desto mehr kommt man zu diesen Erkenntnissen. Liebe Grüße!
Toller Text, die Erfahrung mache ich auch immer wieder – je stärker unser Fokus ist, desto mehr kann er mit dem des Pferdes kollidieren. Und so müssen wir uns dem Pferd anpassen und nicht andersherum.