Deutliche Meinung
Wenn ich abends nach einem langen Arbeitstag in den Stall komme ist es schon dunkel. Ich stapfe über den Kiesweg und freue mich schon auf den aufgeweckten, freundlichen Blick von Suri. Die ist, seitdem ich in meinem Urlaub regelmäßig mit ihr gearbeitet habe, immer ganz begeistert wenn ich komme. Aber auch Suri kennt den Unterschied zwischen Urlaub und Arbeitszeit. Und sie weiß genau: wenn es dunkel ist, ist der Spaß vorbei.
Genau das erkenne ich an ihrem Blick an diesem Abend. Suri ist sauer. Das ist kein Scherz, mein Pferd ist wirklich sauer auf mich. Weil ich nicht am Tag gekommen bin, um mit ihr auf dem Platz zu spielen oder in den Wald zu gehen. Sondern weil ich im Dunkeln komme, und zwar nur zum Füttern und Putzen. Ich kann es an ihrem Blick erkennen: sie weiß genau, dass wir heute nicht mehr arbeiten. Und das findet sie richtig scheiße. Ich jetzt übrigens auch.
Ich hätte nie gedacht, dass dieses Pferd mir mit einem Blick ein schlechtes Gewissen machen kann. Aber sie kann das mit ihrer ausdrucksstarken Zeichnung, die jede Gefühlsregung nochmal verdeutlicht. So bekomme ich kein freundliches Schnauben, sondern sie geht am Tor vorbei und blockiert mit ihrem Hintern die Tür, so dass ich nicht reinkomme. Das ist kein Zufall, sondern ein Statement. Ich klopfe ihr freundlich auf ihre ausgeprägte Muskulatur und bitte sie, mich reinzulassen. Nach einem schiefen Blick dreht sie sich und ich darf passieren. Nett von ihr, denke ich. Das Schlimmste: sie hat recht! Ich bin nur da um zu putzen und zu füttern. In den letzten 7 Monaten war das eigentlich auch nie ein Problem, wenn ich lange arbeiten musste. Denn Suri war körperlich gar nicht in der Lage viel zu machen. Doch jetzt sind die körperlichen Baustellen behoben. Keine Blockaden mehr in der Muskulatur, keine schmerzenden Hufe, die Lymphe in den Karpalgelenken fließt langsam ab und die Sarkoide stören ja nicht bei unserer Arbeit. So merke ich jetzt: Wenn ein Pferd laufen kann, will es das auch! Und der Offenstall ist da kein Ersatz für richtige Arbeit. Mit den Kolleginnen kann sie spielen, steigen und kraulen, aber mit mir muss sie ihren Kopf anstrengen. Seit wir regelmäßig Bodenarbeit machen verlangt Suri immer mehr Aufgaben von mir. Das Pferd wird anspruchsvoll!
Ich freue mich total über die Entwicklung, die Suri in den letzten Monaten gemacht hat. Sie ist ein fröhliches, freundliches uns gelehriges Pferd. Noch besser finde ich, dass sie an neue Aufgaben mit viel Motivation angeht. Als wollte sie sagen: „Gutes Rätsel, gib mir nen Moment. Ich finde die Lösung. Hab ich immer, das macht Spaß!“ Aber wenn ich keine Aufgaben stelle, wird meine Dame bockig. Und an diesem Abend merke ich, dass ich endlich wieder Sommer will. Denn dann haben wir auch abends die Möglichkeit, auf den Platz oder ins Gelände zu gehen. So kann ich abends kommen und bekomme keinen bösen Blick, sondern wieder dieses schöne zufriedene Schnauben. Darauf freue ich mich jetzt schon.
Das kommt mir so bekannt vor… nur dass Shaman mich gar nicht wahr nimmt wenn ich außerhalb der üblichen Zeiten mal zum Reiten komme 😀 Schön dass Suri solche Fortschritte macht und Spaß an Bewegung und Beschäftigung gefunden hat 🙂
Ja, ich freu mich auch total. Danke! Unsere Pferde sind schon Charakterköpfe!